Ein Wochenminus von 29 Punkten bzw. 1,2 Prozent klingt relativ harmlos,
allerdings erlebte der DAX in der vergangenen Woche eine heftige Berg-
und Talfahrt. Nach 9,4 Prozent Rückgang bis zur Wochenmitte setzte
dann in der zweiten Wochenhälfte eine geradezu typische Bearmarketrallye
ein, in deren Verlauf die vorherigen Verluste größtenteils
wieder wettgemacht wurden.
Im langfristigen Schaubild auf Tagesschlußkursbasis hat sich der
DAX nach dem Absacken unter die Unterstützung bei ~2600 Punkten nun
auch in dem nächsttieferen Unterstützungsbereich "gezeigt",
konnte aber zum Wochenschluß noch nach oben zurückfedern. Damit
wurde ein Festsetzen unterhalb von 2300 Punkten vorerst verhindert, andernfalls
wäre ein Rückgang bis auf weniger als 2000 Punkte und ein längeres
Verweilen innerhalb des massiven Unterstützungsbereichs zwischen
1950 und knapp 2300 Punkten wohl unvermeidlich gewesen.
Die Wochenkerze im mittleren Schaubild fiel genau bis auf die abwärtsgerichtete
Trendlinie, die an der Kursentwicklung seit Mai letzten Jahres anliegt.
Interessant auch, dass der jüngste Tiefpunkt mit den Verlaufstiefs
von September 2001 und Oktober 2002 exakt auf einer Linie liegt. Hier
könnten abwärtsgerichtete Trendlinien den DAX inmitten des Abwärtstrends
vor noch schlimmerem bewahren, sofern diese Unterstützungsfunktion
nicht nur temporären Charakter besitzt.
Im unteren, kurzfristigen Tageschart strapazierte die Notierung über
weite Strecken der Woche die unterstützende Wirkung des unteren Bollinger
Bandes, bevor die kräftige Gegenreaktion dann am mittleren Bollinger
Band scheiterte. Auf dieser Höhe verläuft derzeit auch eine
Trendlinie, die an den Hochpunkten seit Mitte Januar anliegt (gestrichelt
eingezeichnet). Eine untere Umkehrformation ist nicht zu erkennen, der
oben bereits als Bearmarketrallye bezeichnete Kaufrausch ebbte auch am
Freitag schon wieder sichtbar ab. Die Lage blebt damit prekär.
Eine kurzfristige Fortsetzung der Erholung ist gut möglich, dies
deutet auch der Stochastik mit seinem recht jungen Kaufsignal an. Allerdings
stellt das mittlere Bollinger Band, der eGD20, bei aktuell 2469 Punkten
einen Widerstand dar, dort verläuft auch die seit Mitte Januar gültige
Abwärtstrendlinie. Nicht weit darüber, bei 2519 Punkten, liegt
dann der Tiefpunkt vom Oktober letzten Jahres. Erst mit einem Anstieg
über dieses Widerstandsbündel würde sich die Lage entschärfen,
wobei ein solcher Kurssprung doch sehr in Frage gestellt werden muss.
Für die kommende Woche sollte daher nur mit einer verhaltenen Aufwärtsbewegung
bzw. Notierungen im Bereich zwischen 2300 und 2520 Punkten gerechnet werden,
die mittelfristigen Aussichten bleiben ohnehin weniger erfreulich.
Wesentlich kräftiger als erwartet fiel die Rallye beim DAX aus, im bisherigen Wochenverlauf gelang dem Standardwerteindex ein Plus von 212 Punkten oder 8,8 Prozent. Auch wenn dies ohne Frage einen bemerkenswerten Kurssprung darstellt, wird mit dem Ausmaß dieser Erholung die Bearmarketrallye-These nur gefestigt.
Bereits nach dem Oktobertief setzte eine ähnliche Rallye ein, wie im Kurzfristchart gut zu erkennen, die dann aber schnell in eine Seitwärtsbewegung mündete und schließlich zu neuen Mehrjahrestiefs führte. Auch diesmal ist keinerlei untere Umkehrformation zu erkennen, weshalb eine Nachhaltigkeit der jüngsten Aufwärtsbewegung doch stark in Frage gestellt werden sollte. Andererseits war der DAX, wie schon in den Wochen zuvor erwähnt, in sämtlichen Zeitebenen überverkauft - eine ausgedehnte Erholung daher überfällig.
Zu beobachten ist nun, ob sich der DAX auch per Wochenschlußkurs oberhalb der Marke von 2600 Punkten behaupten kann; dann würde ein Kaufsignal entstehen und höhere Regionen gerieten in Reichweite. Nach den starken Kursgewinnen der letzten Tage und dem schon wieder überkauften Stochastik erscheint aber eine Korrektur keineswegs abwegig, der Index würde dann schnell in den mehrmonatigen Abwärtstrendkanal zurückkehren und auch die 2519 geriete dann schnell wieder in Gefahr.
Strategie: Für einen Neueinstieg in Calls scheint die Rallye schon zu weit fortgeschritten. Wer mit dem Sprung über 2519 Punkte long gegangen ist, sollte jetzt an dieser Marke absichern.
Autor: Oliver Schultze / Büro Dr. Schulz